Coverbild Postkapitalistisches ManifestToni Andreß, Das postkapitalistische Manifest. Wie wir unsere Wirtschafts- und Umweltkrisen lösen können, München: oekom 2023, 521 Seiten, 36 Euro. Rezension von Prof. Dr. Fritz Reheis 

Obwohl bei Umfragen eine deutliche Mehrheit der Deutschen den Kapitalismus ablehnten, sei die herrschende Wirtschaftsordnung kaum ein Thema im öffentlichen Diskurs. Hier sieht der Wirtschaftsjurist Toni Andreß Handlungsbedarf. Das „Postkapitalistische Manifest“ beschreibt zentrale Problemfelder der herrschenden Wirtschaftsordnung, diagnostiziert an vielen Stellen das Fehlen einer echten Marktwirtschaft als die eigentliche Ursache und plädiert als Lösung der Probleme für die Abschaffung des Kapitalismus. Zentral ist für ihn dabei die Einführung eines Freigeldsystems (Geld ohne Zinsen), das die Verbraucher und die Realwirtschaft praktisch kostenlos mit Geld versorge. Geld dürfe allein dem Austausch und der Wertaufbewahrung, nicht jedoch der Wertvermehrung dienen. Kombiniert werden müsse diese fundamentale Geldreform mit einem nationalen Grundeinkommen, konsequentem internationalen Freihandel „mit gerechten Wettbewerbsbedingungen“ (S. 12) einschließlich einer Weltwährung sowie die Einrichtung eines Marktes für umfassende Umweltverschmutzungsrechte. Um den Kapitalismus zu überwinden brauche es keinen neuen Menschen, sondern nur neue Regeln, die es den Akteuren ermöglichten, „sozial zu handeln, ohne ihren Eigennutz aufzugeben“ (S. 13).

Das erste Kapitel thematisiert Probleme des existierenden Kapitalismus (Finanzkrise, Überschuldung, Vermögensungleichheit), skizziert die Freigeldlehre, gibt Handlungsempfehlungen, und beleuchtet ausführlich deren Auswirkungen. Im zweiten Kapitel beschreibt der Verfasser ebenfalls sehr detailliert die derzeitige Umweltbelastung und -zerstörung, ehe er Vorschläge zur Reform des bestehenden Emissionshandels unterbreitet (Ausdehnung auf alle Unternehmen und möglichst alle schädlichen Emissionen), ergänzt um viele Verbote (analog zum FCKW-Verbot). Es folgen sehr detaillierte Erläuterungen zu den Auswirkungen einer solchen Umweltpolitik auf alle wesentlichen realwirtschaftlichen Bereiche. Das dritte Kapitel behandelt die Arbeit, wiederum ausgehend von einer Problembeschreibung (Armut, Sklaverei), gefolgt von der Darstellung des Grundeinkommenskonzepts und seinen möglichen positiven Wirkungen. Im letzten Kapitel schließlich geht es um die Probleme des internationalen Handels, das Prinzip des konsequenten Freihandels und einer neutralen Weltwährung und die Frage, welche positiven Auswirkungen aus diesen Lösungskonzepten folgen könnten.

Natürlich fragt sich die Leserin und der Leser, woher die transformative Kraft für die Entmachtung des Finanzkapitals kommen soll und ob nicht auch in den vom Kapital befreiten Märkten noch ökonomische „Sach“zwänge (strukturelle Ungleichheiten als Folge geografischer und historischer Umstände wie etwa der Kolonialismus, Konkurrenz statt Kooperation, Entfremdungsphänomene) schlummern. Auch wird das Kriterium nicht hinreichend deutlich, nach dem systematisch entschieden werden kann, in welchen Fällen Anreize genügen und wo Verbote unerlässlich sind. Wer jedoch ein Buch sucht, das ihn umfassend über den gegenwärtigen Zustand der kapitalistisch „regierten“ Welt und über die Vision eines Postkapitalismus informiert, der ist mit diesem „Manifest“ bestens bedient, auch wegen der beeindruckenden Vielfalt der Belege über soziale und auch technische Details der dringend gebotenen Transformation.